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Gründung und Aufstieg der Geyer-Werke (1911-1928)

 

Das Ende des Krieges brachte vor allem für die Maschinenfabrik einschneidende Änderungen:

„Am 9. November (1918, M.K.), dem Revolutionstag, wurden alle Kriegsarbeiten sofort eingestellt; schon in den letzten Kriegswochen waren die Vorbereitungen zum Bau von Filmbearbeitungsmaschinen mit allen Kräften gefördert worden, einmal, um den dringenden Bedarf der Filmfabrik zu decken, dann aber auch, um rechtzeitig mit neuen Modellen auf dem Markt zu sein.“27

Neben der zuversichtlichen Hoffnung auf das Friedensgeschäft spricht aus den Zeilen der Firmenchronik aber auch die Unsicherheit der Direktion angesichts der

neuen, „ganz fremden Voraussetzungen“ nach der Revolution: „So wurden z. B. neben den Soldatenräten auch sogenannte Arbeiterräte gebildet, und außerdem sofort der Achtstundentag allgemein eingeführt. Diese Umstellungen und nie gekannten Eingriffe erschütterten naturgemäß den Wirtschaftskörper erneut stark und ermöglichten vorläufig keine normale Friedensarbeit.“28

 

Die Arbeitskämpfe der folgenden Monate waren hart, und wieder ist nur der Arbeitgeberstandpunkt überliefert: „Im Oktober 1919 kam es zu einem sechswöchigen Streik, den einige Heißsporne der Belegschaft ohne eigentlichen Grund, lediglich aus Sympathie für die Streikbewegung in schlechter zahlenden Betrieben entfesselt hatten. Die Firma vermochte jedoch (...) den Streik glücklich und ohne nennenswerten Schaden zu überwinden; ja, es gelang bei dieser Gelegenheit, die Wiedereinstellung der einsichtslosesten Hitzköpfe zu vermeiden. Die Arbeit wurde zu den alten Bedingungen wieder aufgenommen; neue Forderungen waren ohnehin nicht erhoben worden, da die Löhne sich durchschnittlich auf einem höheren Niveau bewegten, als es von den Arbeitern selbst verlangt wurde.“29

 

Die Firmenchronik missversteht hier offenbar einen Solidaritätsstreik mit anderen Betrieben der Metallindustrie als Forderung zur Lohnsenkung.

Wie hoch die Löhne bei Geyer waren, ist für den Zeitpunkt des Streiks nicht überliefert; jedoch gibt es Angaben über das Lohnniveau bei der Karl Geyer Maschinen- und Apparatebau GmbH für Ende 1918. Danach „betrug der Durchschnittslohn eines Mechanikers etwa 2,50 Mark bis 3,30 Mark, während bei Akkordarbeiten meist 5 Mark pro Stunde erreicht wurden, gegenüber einem Verdienst von 0,70 Mark bei Lohn und 1 Mark bei Akkordarbeiten vor dem Kriege.“ „Schwierigkeiten mit dem Arbeiterrat, die fast überall auftraten“, sollen der Firma unmittelbar nach Kriegsende „dank der großzügigen Lohnpolitik des Chefs erspart geblieben“ sein.30

 

Die Betriebsleitung reagierte auf die „unruhigen Zeiten“ schließlich mit dem Beitritt zum Verband Berliner Metallindustrieller, soweit es die Maschinenfabrik betraf, und die Filmfabrik organisierte sich im Schutzverband Deutscher Filmkopier-Anstalten, um „jederzeit klare Umrisse und Richtlinien für alle möglichen gewerkschaftlichen und sonstigen Maßnahmen zu erhalten“31.

Das Betriebsrätegesetz vom 9. Februar 1920 entmachtete die Arbeiterräte und ersetzte sie durch Betriebsräte „mit genau festgelegten Funktionen“. Die Beschäftigten der Filmindustrie ihrerseits schlossen sich zum sogenannten Filmkartell zusammen, das die Filmarbeiter und -arbeiterinnen zahlreicher Einzelgewerkschaften umfaßte, die in der alsbald immer heftiger werdenden Inflation einen harten Kampf um die Erhaltung ihres Verdienstes führen mußten.32